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Umweltprobleme städtischer Gewerbe im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit

Umweltbelastungen (insbesondere Wasser- und Luftverschmutzung) durch städtische Gewerbe (Töpfer, Wollenweber, Gerber) und die daraus resultierende Lebenssituation der Gewerbetreibenden am Beispiel Marburgs des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit.

 

 

© Stephan Wannewitz

 

 

 

1. Erläuterung des Themas

1.1. Absicht der Untersuchung

1.2. Eingrenzung des Themas

1.3. Darstellung des aktuellen Forschungsstandes

2. Kurze Beschreibung der allgemeinen wirtschaftlichen Situation der Stadt Marburg

2.1. Situation der Gewerbetreibenden in der Stadt

2.2. Die Handwerker im sozialen Gefüge der Stadt Marburg

3. Arbeitsweisen der Gewerbe und die aus ihren Techniken resultierenden Umweltbelastungen

3.1. Die Töpfer

3.2. Die Wollenweber

3.3. Die Gerber

4. Einschränkungen in der Lebenssituation der Gewerbetreibenden (speziell Wohnungssituation und soziale Konflikte)

4.1. .... am Beispiel Marburg

4.2. ... am Beispiel Frankfurt am Main

5. Zusammenfassung

6. Quellen- und Literaturverzeichnis

6.1. Quellen

6.2. Literatur

6.3. Copyrighthinweis

 

 

1. Erläuterung des Themas

Ziel dieser Untersuchung soll sein, im Rahmen des Seminars Wirtschaft und Umwelt in der Frühen Neuzeit, die Situation der städtischen Gewerbetreibenden darzustellen Von besonderem Interesse scheint hierbei die Frage nach der Umweltverunreinigung und der sozialen Stellung zu sein, die zweifelsohne großen Einfluss auf die Lebenssituation der Handwerker hatte.

1.1. Absicht der Untersuchung

Es stellt sich hieraus die Frage, ob die städtischen Mitbewohner diese Verunreinigungen hingenommen haben, oder ob die Gewerbetreibenden aus Gründen der Belästigung durch Lärm, Gestank oder Wasserverunreinigung mittels städtischer Verordnungen auf irgendeine Art und Weise in ihrer Lebens- und Wohnungssituation eingeschränkt wurden. Untersucht werden muss zwangsläufig auch die These, ob es in der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Stadt zu einer „Quartierbildung“ im Handwerksbereich kam. D.h. es soll untersucht werden, ob sich verschiedene Bereiche des Handwerks in eigens für sie bestimmte Viertel ansiedelten, die dann auch eventuell eine schlechtere Wohnqualität hatten.

1.2. Eingrenzung des Themas

Um den Rahmen dieser Untersuchung nicht zu sprengen soll die Betrachtung auf einige Gewerbe (Töpfer, Wollenweber, Gerber) beschränkt werden. Des weiteren wird beabsichtigt, die Problematik lediglich an den Städten Marburg/Lahn und Frankfurt a. Main der Frühen Neuzeit aufzuzeigen.

1.3. Darstellung des aktuellen Forschungsstandes

Viele Autoren gehen davon aus, dass die Handwerker in der alten Stadt ihren Beruf mehr oder weniger durchgehend in eigenen, dem jeweiligen Beruf vorbehaltenen Straßenzügen nachgehen. Sehr verbreitet ist auch die Theorie, „ ... dass Straßennamen mit Berufsbezeichnungen ein gesicherter Hinweis auf die geschlossene Ansiedlung bestimmter Berufsgruppen geben“. Dieser Ansatz wurde seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts vor allem von der germanistischen Forschung verfolgt. Cramer sagt, dass „die wirklich topographische Untersuchung der Städte im Hinblick auf die Bevölkerungsverteilung, d.h. eine parzellenscharfe Zuordnung von personenbezogenen Daten, die dann ihrerseits wieder Rückschlüsse auf die berufliche, soziale und vermögensbezogene Gliederung der Stadt am Ausgang des Mittelalters zulässt, die Forschung bisher kaum ermöglicht hat“.

 

 

2. Kurze Beschreibung der allgemeinen wirtschaftlichen Situation der Stadt Marburg

Im Spätmittelalter und zu Beginn der Frühen Neuzeit lag Marburg an einer der wichtigsten Verkehrsstraßen dieser Zeit, der sogenannten Nordischen Lübeck Hamburger Straße, die die Stadt Frankfurt über Butzbach, Gießen, Marburg mit den norddeutschen Hansestädten verband. Trotz dieser ungemein günstigen Aussicht florierte der Handel in Marburg nicht so gut, wie man es aufgrund dieser Konstellation hätte vermuten können, denn die Fuhrleute umfuhren Marburg größtenteils, da die Stadt an allen Seiten von Bergketten umgeben war. Auch war die Lahn keine schiffbare Wasserstraße, so dass auch so kein Umschlagplatz für Güter entstehen konnte. Diese Bergketten hatten auch zur Folge, dass die Allmende keine große Ausdehnung hatte. Das meiste des wenigen landwirtschaftlich nutzbaren Landes gehörte dazu dem Deutschen Orden. Da auch nur wenige Viehweiden zu Verfügung standen, gab es lediglich eine geringe Anzahl von Ackerbürgern in der Stadt, die meist den Minderbesitzenden zugeordnet werden konnten. Trotz dieser Ausgangssituation waren einige Gewerbe nicht in Marburg zu finden (z.B. Seiler). Um dennoch nicht auf die Erzeugnisse der fehlenden Gewerbe verzichten zu müssen, erfolgte der Einkauf auf der Frankfurter Fasten- und Herbstmesse durch den Bürgermeister oder ein anderes Ratsmitglied, welche sich mit dem Stadtknecht und -pferd zusammen dorthin begaben. In Frankfurt wurden die nötigen Einkäufe an Wachs (für die Stadtkerzen) Seilen, Harz, Pech, Papier und Tuch getätigt.  Zwischen dem 14. und dem 16. Jahrhundert erlebte die Gewerbetätigkeit in Marburg ihre größte Blütezeit.

2.1. Situation der Gewerbetreibenden in der Stadt

Die zünftigen Handwerkern hatten nicht nur zur Aufgabe, den Bedarf der Stadt und der umliegenden Dörfer zu decken, sondern sie setzten ihre Waren auch außerhalb ihres engeren Wirtschaftsgebietes ab. Das betraf in erster Linie die Erzeugnisse der Wollenweber, Leinenweber, Gerber und Töpfer, die am stärksten vertreten waren. Städtische Verbraucher waren neben den Bürgern in erster Linie der landgräfliche Hof und nach der Gründung der Universität im Jahre 1527 dann auch die Studenten. Für die höfische Versorgung waren hauptsächlich Metall- und Lederhandwerker, Gießer, Hutmacher und die Meister der Schildnerzunft zuständig. Etwa gegen 1600 erfolgte dann ein wirtschaftlicher Rückschlag: überhandnehmender Luxus, der die Einfuhr und den Verbrauch hochwertiger, ausländischer Ware, zur Folge hatte; die einsetzende Münzverschlechterung, der auf das Wirtschaftsleben so fatale Folgen nach sich ziehende 30jährige Krieg und der Verfall des Zunftwesens waren hierfür entscheidende Faktoren.

2.2. Die Handwerker im sozialen Gefüge der Stadt Marburg

Bei der Erfüllung der Bürgerpflichten standen die Handwerker in keinem Gegensatz zur übrigen Bevölkerung, obwohl sie aufgrund ihres Korporationsgeistes eine schon exklusive Stellung einnahmen. Es kam auch ganz zwangsläufig und natürlich zu Differenzen mit Kunden, die teilweise vom Gericht gelöst werden mussten. So prozessierte beispielsweise die Schmiedezunft im Jahre 1450 gegen Henne von Huebfelden, der behauptete, die Zunft hätte die dem Landesherrn zukommenden ~ Bußgelder vertrunken. Vor Gericht wurde die Zunft voll rehabilitiert. Ein besonderer Gegensatz herrschte in Marburg zwischen Studenten und Handwerkern, insbesondere den Handwerksgesellen. Zu ernsten Zwischenfällen kam es in der Mitte des 16. Jahrhunderts, als z.B. im Jahre 1551 ein Student von einem Marburger Goldschmied erschossen wurde. Es ereigneten sich immer wieder Streitigkeiten und Schlägereien zwischen der Studentenschaft und den Handwerkern, wobei sich die Leinenweber immer wieder hervortaten. 1556 wurde ein Student namens Carben nach einer Abschiedsfeier von angetrunkenen Handwerkern überfallen und getötet. Seit dem 13. Jahrhundert, der Zeit der größten politischen Unabhängigkeit Marburgs versuchten die Zünfte als festorganisierte, wirtschaftlich starke Größe innerhalb der Gemeinde, eine Teilnahme am Stadtregiment und eine politische Gleichstellung mit der Schöffenoligarchie zu erreichen. Der erste Schritt in diese Richtung war die Einsetzung eines aus 12 Personen bestehenden Rates. Die Ratsmänner waren befugt, aus der Anzahl der Schöffen den Bürgermeister zu wählen. Dieser Rat gewann im Jahre 1357 sogar scheinbar an Bedeutung, als die Anzahl der Mitglieder verdoppelt wurde. Jedoch ergänzten sich diese Schöffen selbst, wählten den neuen Rat, und die Stimme eines Schöffen wog die Stimme zweier Ratsmänner auf. Verbessert wurde die Situation durch die Stadtverfassung vom 4. November 1428, in der niedergelegt wurde, dass der Rat entfernt, und neben das Schöffenkollegium die von der Gemeinde gewählten „Vierer“ treten sollten. Diese wählten aus der Zahl der Schöffen den 1. Bürgermeister, und einer der „Vierer“ wurde durch Schöffen zum Unterbürgermeister gewählt, der die Interessen der Zünfte und der Gemeinde vertrat. Die gesamte politische Situation des 15. und 16. Jahrhunderts war gekennzeichnet von dem Streben der Zünfte nach mehr Macht im sozialen Gefüge der Stadt.

 

 

3. Arbeitsweisen der Gewerbe und die aus ihren Techniken resultierenden Umweltbelastungen

Die Gewerbe, die in dieser Arbeit untersucht werden, haben zweifelsohne schädliche Einflüsse auf die Umwelt gehabt, da sie in bzw. an oder auch mit der Natur gearbeitet haben. Es ist lediglich fraglich, ob das Bewusstsein für eine Schädigung vorhanden war, denn der allgemeine Wissensstand ließ solche Denkweisen noch nicht zu. So ist z.B. die Auffassung von entscheidender Bedeutung, dass das Grundwasser ein fließendes Gewässer sei, und dass fließendes Wasser im Allgemeinen eine heilende und reinigende Wirkung habe. Schädigungen wurden erst als solche anerkannt, wenn Mitbürger oder auch die Handwerker selbst in zunehmender Häufigkeit erkrankten oder belästigt, oder das Stadtbild nachhaltig gestört wurde.

3.1.. Die Töpfer

Die Marburger Töpfer waren eines der Gewerbe, die nicht nur für den Bedarf der Stadt und der umliegenden Dörfer produzierten, sondern die ihre Artikel auch „exportierten“. Marburger Keramik und auch die sogenannten „Marburger Dippche“ waren schon sehr früh als Qualitätsartikel bekannt und verkauften sich dementsprechend gut. Bei der Keramikherstellung wurden die anzufertigenden Güter aus Ton geformt (der Ton stammte aus dem Ebsdorfergrund, er musste erst nach Marburg gebracht werden) und danach im Ofen für eine ganze Zeit gebrannt. Der durch das Brennen entstehende Rauch konnte bei ungünstigen Windverhältnissen die Nachbarn erheblich belästigen. Die größten Probleme mit dem Rauch dürften aber wohl die Töpfer selbst gehabt haben. Als Schutzmaßnahmen versuchten sie. sich Tücher oder feuchte Schwämme vor Mund und Nase zu binden um den Rauch abzuhalten.

3.2. Die Wollenweber

Das Gewerbe der Wollenweber ist in Marburg nicht wie in vielen anderen Orten zusammen mit Einwanderern in diese Gegend gekommen, sondern es ist als ein bodenständiges Handwerk anzusehen. Für Marburg ist außerdem noch erwähnenswert, dass den Wollenwebern im Stadtrecht von 1311 der Gewandschnitt verboten wurde, was dann später auch immer wieder zu sozialen Spannungen und Konflikten führte. Die Weber haben aus Wolle Tuche hergestellt. Zur Herstellung wurden sogenannte Webstühle benutzt: diese waren Gestelle aus Holz, auf denen die Kett- und Schussfäden zu einem Gewebe zusammengefügt wurden. Um eine größere Dichte des Gewebes zu erreichen, mussten die Fäden mechanisch aneinandergedrückt werden. Dadurch entstand ein relativ lautes, klapperndes Geräusch. Des weiteren wurden die Stoffe gewalkt. d.h. in Walkmühlen wurden mittels Wasserkraft kleine Hämmer auf und nieder bewegt, die beim Aufschlag auf den Stoff trafen, der auf einem Holzbrett lag. Auf diese Weise wurde der Stoff noch mehr zusammengestaucht und die Oberfläche verfilzt. Wenn die Stoffe auch noch gefärbt wurden, so schloss sich an die Lärmbelästigung auch noch eine Rauch- und Geruchsbelästigung an, da die Stoffe in der Färbelauge erwärmt wurden.

3.3. Die Gerber

Leder war stets ein sehr begehrtes, strapazierfähiges Material. Man konnte es als Sohlleder und Schuhleder, aber auch für Sättel, Trinkbecher oder sogar Rüstungen verwenden. Weichere Leder waren für die Herstellung von Bekleidung und Taschen geeignet. Da die unbehandelte Tierhaut durch Trocknen hart wird und im feuchten Zustand sehr schnell fault, muss sie behandelt werden. Durch das Gerben entsteht dann aus dem Rohmaterial ein Werkstoff, der zwar widerstandsfähig, aber keinesfalls völlig starr und steif ist, so dass er vielseitig einsetzbar ist. Bereits aus der Steinzeit und den Kulturen Mesopotamiens und Ägyptens sind Lederprodukte überliefert. Für Mitteleuropa ist das Vorhandensein von Gerbereien seit dem 9. Jahrhundert nachweisbar. Vom 10. Jahrhundert an ist das dann auch für die ersten Gerberzünfte möglich. Die drei verschiedenen Gruppen der Gerbtechnik unterscheiden sich durch die Verwendung unterschiedlicher, in der Natur vorgefundener Wirkstoffe. Man unterscheidet drei Gruppen:

1. pflanzliche Gerbstoffe (Lohe, gewonnen aus Baumrinden)
2. mineralische Gerbstoffe (Salze)
3. Fette

Bei der Loh- oder Rotgerberei werden starke und strapazierfähige Lederarten hergestellt. Als Lohe bezeichnet man die vom Baum getrennte, zerschnittene und fein gemahlene Rinde der Eiche und (in geringerem Maße) der Fichte, in deren Rinde sich der Gerbstoff Tannin befindet. Die Weißgerberei (mineralische Gerberei) macht die tierische Haut durch Zerstörung des Eiweißes mittels eines Salzes namens Kalialaun haltbar. Nach der Gerbung in einem großen Holzbottich, in welchem sich das in Wasser gelöste Salz befindet, muss das Leder noch durch Einreiben mit Fett geschmeidig gemacht werden. Diese Methode dient in erster Linie der Herstellung feinerer Ledersorten aus Kalbs-, Schafs-, und Ziegenhäuten für die Bekleidungsherstellung. Bei der Fettgerberei (oder Sämischgerberei) wird Fett oder Tran durch Walken in die Haut eingearbeitet. Auch hier wird Leder für feine Produkte wie z.B. Handschuhe, Taschen usw. hergestellt. Sämischgare Leder gelten als sehr dauerhaft und wasserdicht.

 

 

4. Einschränkungen in der Lebenssituation der Gewerbetreibenden

4.1. ... am Beispiel Marburg

Die Wollenweber stellten in Marburg die größte und stärkste Zunft dar. Die meisten ihrer Mitglieder siedelten sich in oder um die Vorstadt Weidenhausen an. An der Lahnbrücke in Weidenhausen, befand sich auch ihr Rat- oder Zunfthaus. Ganz in der Nähe gelegen war auch die dem Deutschen Orden gehörende Walkmühle, auf deren Benutzung die Wollenweber angewiesen waren. Es stellt sich nur die Frage, ob die Wollenweber diese Funktionalität der Vorstadt direkt an der Lahn dazu brachte, sich dort anzusiedeln, oder wurde die Ansiedlung gesteuert? Cramer spricht davon, dass „ ... die Topographie [...] wesentlich für die Standortwahl einer Weberwerkstadt [ist]. Die optimale Herstellung des Tuches gelingt in einem erdfeuchten Keller. Zugleich sollte die Weberdunke auch hell sein. Beide Forderungen können nur erfüllt werden, wenn das Haus mit der Werkstatt in einen Hang hinein gebaut werden kann...“. Es wäre ein leichtes gewesen, auch in Marburg so einen Standpunkt zu finden, aber die Zunft ist trotzdem in Weidenhausen ansässig, welches zu allem Überfluss auch noch des öfteren von Überschwemmungen heimgesucht wird. Die Tuche zur Walkmühle zu bringen hätte zwar, wenn sich die Weberwerkstätten in den Hängen befunden hätten, einen größeren Zeitaufwand erfordert, aber die Wohnqualität wäre doch entschieden besser. Bei der Betrachtung der Situation der Gerber verhält es sich ganz anders. Sie waren auf fließendes Wasser oder zumindest auf die Nähe zu einem Brunnen angewiesen. Da es in der Stadt Marburg mit der Wasserversorgung nicht so sehr gut stand (ein großer Teil des benötigten Wassers kam über Brunnenröhren aus dem Stadtteil Marbach), kann den Gerbern schon die Überlegung zu Funktionalität bei der Wahl des Stadtrandes als Wohn- und Arbeitsstätte unterstellt werden. Der Stadtteil Weidenhausen hatte, außer der Lahn. auch noch einen eigenen Brunnen für die eigene Trinkwasserversorgung. Die Umweltbelastungen, die von den Gerbern ausgegangen sind auf Geruchsbelästigungen und auf den Unrat der bei der täglichen Arbeit anfiel. So ging z.B. von den gelagerten Häuten ein mehr oder weniger starker Verwesungsgeruch aus und auch der zum Lockern der Häute benutzte Urin und Kot sowie der für die Sämischgerberei verwandte Fischtran führten immer wieder zu Belästigungen der Nachbarn. Die Gerber bilden eine Berufsgruppe die ganz offensichtlich ihre Umwelt verunreinigt haben, wobei die Ursache völlig klar erkennbar ist. Außerdem wäre es möglich gewesen, die Gerber mittels städtischer Verordnungen zu mehr Reinlichkeit anzuhalten, wie es beispielsweise in der Freiburger Zunftordnung von 1417 versucht wurde, in welcher es verboten wurde, Abfälle auf die Straße oder in den Bach zu werfen. Auch in Nürnberg wurden die Gerber angehalten, die von ihnen verschmutzten Straßenrinnen zweimal täglich zu säubern. Cramer gibt in seiner Arbeit über das Gerberhaus und das Gerberviertel einige Beispiele aus vielen Teilen Europas, in denen immer wieder über die ungemeine Geruchsbelästigung durch die Gerber gesprochen wird. Die Berufsgruppe der Töpfer lässt sich nicht so einfach mit den vorher genannten Berufen vergleichen, denn die Töpfer arbeiteten mit Feuer, von dem eigentlich eine ständige Gefahr ausging. Bei der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bauweise der Häuser (Hauptbaumaterialien waren Holz und Lehm, weniger häufig waren Steinbauten) musste man bei Ausbruch eines Feuers im „Innenstadtbereich“ gleich mit dem Verlust mehrerer Häuser rechnen. Da durch die bauliche Enge in der Stadt und die unzureichenden Möglichkeiten der Feuerbekämpfung die Angst entsprechend groß war, wurde versucht, mit Feuer hantierende Berufe nicht nur in gesonderte Handwerkergassen sondern vielerorts so gar in die Vorstädte abzudrängen. Bekannt sind hierzu Beispiele aus Butzbach. Hier standen fast alle Töpferhäuser nahe der Stadtmauer, da man befürchtete, der Funkenflug könnte die Dächer, die ja größtenteils noch aus Stroh bestanden, in Brand setzen.

4.2. ... am Beispiel Frankfurt

In der Stadt Frankfurt am Main sah die Lage ganz ähnlich aus wie in Marburg: die einzigen Gewerbe, die durch Ratsbeschlüsse eingeschränkt werden, waren die, die mit Feuer hantierten. Bereits im Jahre 1376 wurde angeordnet, dass kein Backhaus und keine Schmiedewerkstadt in der Altstadt oder in Sachsenhausen angesiedelt werden dürfe. Außerdem wurde bestimmt, dass eine der vorhandenen Werkstätten in den oben genannten Stadtteil schließen müsse und keine neue eröffnet werden dürfe. Besonderen Anstoß nahm der Rat der Stadt Frankfurt am Gewerbe der Fassbender, für die im Jahre 1400 angeordnet wurde, dass sie sich in der Bendergasse anzusiedeln hätten. Bereits drei Jahre später wurde diese Ordnung erneuert und verschärft. Ansonsten wurde in Frankfurt sehr viel Wert darauf gelegt, die Straßen und Gassen rein zu halten. Es gibt sehr viele Verordnungen über die Schweinehaltung in der Stadt und über die Hygienezustände bei den Metzgern. In einem Ratsbeschluss wurde bestimmt, dass die Fleischhauer ihren hölzernen Hauklotz durch einen metallenen ersetzen müssen, da dieser leichter sauberzuhalten sei. Außerdem wurde bestimmt, dass die Metzger ihre Hunde von den Hauklötzen fernhalten sollten. Generelle Verordnungen über die die Umwelt verunreinigenden Gewerbe, die im ersten Teil dieser Untersuchung vorgestellt wurden, waren nicht zu finden. Es bestünde also lediglich die Möglichkeit, sämtliche Einzelurteile in der Rechtsgeschichte der Stadt herauszusuchen, und zu versuchen sich aus allen Klagen ein Bild zu machen.

 

 

5. Zusammenfassung

Abschließend muss gesagt werden, dass die Ouellenlage für den zu untersuchenden Sektor in Marburg nicht sonderlich gut ist. Selbst Küch, der bereits eine sehr umfassende Untersuchung über die Rechtssituation im Mittelalter vorlegte, monierte die schlechte Quellenlage, da es aus dem 14. und 15. Jahrhundert lediglich 2 Stadtbücher gibt, die seiner Meinung nach „... weder planmäßig noch vollständig sind“. Auffallend ist außerdem die geringe Anzahl der Zunfturkunden, die vermutlich bei den Zünften, nicht aber im Stadtarchiv aufbewahrt wurden. Den spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Städten kann im allgemeinen ein Bewusstsein für eine intakte, saubere Umwelt nicht abgesprochen werden. Es gibt genügend Hinweise, dass Versuche seitens der Stadträte unternommen wurden, die städtischen Mitbürger zu einer größeren Reinlichkeit anzuhalten. Nur das heutige Verständnis für eine Schädigung der Natur wird es nicht gegeben haben. Jede Art von Schädigung wurde nur dann erkennbar, wenn Mitmenschen ganz konkret betroffen waren; sei es durch Krankheit, oder durch Geschmacksveränderung z.B. des Bieres wenn der Bierbrauer sein Wasser dort entnahm, wo der Lohgerber seinen Unrat in den Fluss warf. Gesetzliche Einschränkungen in der Lebens- und Wohnungssituation der Gewerbetreibenden gab es wenige. Die größten Beschränkungen waren funktional bedingt (Gerber am Wasser und am Stadtrand; Töpfer am Stadtrand; Weber mit kühlen und feuchten Häusern). Man muss aber auf jeden Fall die soziale Stellung der Handwerker und in Marburg insbesondere die Stellung der Wollenweber betrachten, die zwar eine sehr große, aber auch eine sehr arme Gruppe darstellen. Es kann also nicht pauschal gesagt werden, dass die Verteilung der Handwerker im Stadtgebiet rein willkürlich gewesen ist, sondern auf jeden Fall einen funktionalen und sozialen Hintergrund hat.

 

 

6. Quellen- und Literaturverzeichnis

6.1. Quellen

Wolf, A.,: Die Gesetze der Stadt Frankfurt am Main im Mittelalter (Veröffentlichungen der Frankfurter Historischen Kommission XIII) 1969.

 


Datum

Nr.

Titel

03.12.1366

A 77

Schweinehaltung der Bäcker.

15.08.1373

4

Schweinehaltung der Bäcker

14.06.1386

35

Brandverhütung.

24.07.1386

36

Brandverhütung

11.06.1409

127

Schweinetrieb der Bäcker

15.10.1411

134

Straßenreinigung

04.10.1412

137

Straßenreinigung in der Altstadt

11.07.1413

138

Straßenreinigung in der Neustadt und Sachsenhausen

30.09.1421

186

Schweinetrieb durch die Stadt

10.11.1425

196

Brandverhütung.

07.04.1426

199

Brandverhütung

14.11.1437

226

Abwässerbeseitigung

14.06.1439

232

Brandverhütung

25.08.1442

239

Brandverhütung

19.08.1481

289

Straßenreinigung, Schweinehaltung in der Altstadt

08.04.1494

345

Leimsieden

 

 

 

Küch, F., Quellen zu Rechtsgeschichte der Stadt Marburg, 1918.

 

 

Datum

Nr.

Titel

07.01.1396

Nr.63

Auflösung der Wollenweberzunft

16.03.1450

Nr.105

Streit Schmiedezunft - Henne von Huebtfelden

28.11.1496

Nr.155

Zunftbrief der Lohgerber

19.06.1500

Nr.166

Zunftbrief der Wollenweber

um 1523

Nr. 199

Wollenweberhandwerk an den Stadthalter

Aug. 1523

Nr.24

Beschwerde eines Wollenwebers beim Landgrafen

06.02.1528

Nr.217

Zunftbrief der Wollenweber

06.02.1528

Nr.218

Zunftbrief der Lohgerber

24.01.1541

Nr.256

Beschwerde der Lohgerber wegen der Lohmühle

16.10.1544

Nr.268

Bestellung des Marktmeisters

01.06.1545

Nr.273

Marktordnung

 

Frankfurter Zunfturkunden:

1. Ordnung der Lohgerber von 1355.

2. Ordnung vom 9. März 1377 mit Nachträgen bis zum 1. Juli 1581.

 

 

6.2. Literatur

Bayerl, G. Vorindustrielle Gewerbe und Umweltbelastung: das Beispiel der Handpapiermacherei, in: Technikgeschichte 48, S.206-238, 1981.

Bayerl, G. Zur Erforschung der Luft- und Wasserverschmutzung in vorindustrieller Zeit, in: Siedlungsforschung. Archäologie - Geschichte - Geographie 6, S.199-203, 1988.

Bücher, K. Die Bevölkerung von Frankfurt am Main im 14. und 15. Jahrhundert, Tübingen 1886.

Bücking, W. Mitteilungen aus Marburgs Vorzeit 1886.

Cramer, J. Gerberhaus und Gerberviertel in der mittelalterlichen Stadt. (Studien zur Bauforschung 12), 1981.

Cramer, J. Zur Frage der Gewerbegassen in der Stadt am Ausgang des Mittelalters. in: Die alte Stadt 11,S. 81-111, 1984.

Dirlmeier, U. Die kommunalpolitischen Zuständigkeiten und Leistungen süddeutscher Städte im Spätmittelalter. in: J. Sydow (Hrsg.), Städtische Versorgung und Entsorgung im Wandel der Geschichte, S. 113-150, 1981.

Dirlmeier, U. Umweltprobleme in deutschen Städten des Spätmittelalters. in: Technikgeschichte 48, S. 191-205, 1981.

Dirlmeier, U. Zu den Lebensbedingungen in der mittelalterlichen Stadt: Trinkwasserversorgung und Abfallbeseitigung. in: Herrmann, B. (Hrsg.), Mensch und Umwelt im Mittelalter, S. 150-159, 1986.

Heine, G. Umweltbezogenes Recht im Mittelalter. in: Herrmann, B. (Hrsg.), Umwelt in der Geschichte, S.111-128, 1989.

Herrmann, B. Parasitologische Untersuchung mittelalterlicher Kloaken. in: Herrmann, B. (Hrsg.), Mensch und Umwelt im Mittelalter 3.160-169, 1986.

Kolbe, W. Marburg im Mittelalter Marburg 1879.

Küch. F. Quellen zur Rechtsgeschichte der Stadt Marburg) 1918.

Schneidmüller, B. Städtische Umweltgesetzgebung im Spätmittelalter in: Calliess, J. (Hrsg.), Umwelt in der Geschichte, S.119-138, 1981.

Schulz, W. Gewerbe und Zunftwesen in Marburg, Dissertation 1927.

Troitzsch, U. Umweltprobleme im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit aus technikgeschichtlicher Sicht, in: Herrmann, B. (Hrsg.), Umwelt in der Geschichte, S.89-110, 1989.

Weishaupt, G. Stadtverfassung und Stadtverwaltung der Stadt Marburg im Mittelalter, Dissertation Marburg 1922.

Wolf, A . (Hrsg.)  Die Gesetze der Stadt Frankfurt am Main im Mittelalter (Veröffentlichung der Frankfurter Historischen Kommission XIII) 1969.

Zimmermann, V. Ansätze zu einer Sozial- und Arbeitsmedizin am mittelalterlichen Arbeitsplatz. in: Herrmann, B. (Hrsg.), Mensch und Umwelt im Mittelalter , S.140-149, 1986.

 

 

 

6.3 Copyrighthinweis

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